‘Batterierecycling in Europa und weltweit vor großen Herausforderungen’
September 23rd, 2024
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Beim International Congress for Battery Recycling (ICBR) in Basel Mitte September diskutierten führende Experten und Vertreter über die Herausforderungen, vor denen die Branche steht. Als eine der größten Hürden wurde die Unsicherheit und Komplexität der regulatorischen Rahmenbedingungen genannt, die von Land zu Land unterschiedlich sind und Unternehmen vor Großinvestitionen in die notwendige Recyclinginfrastruktur zurückschrecken lassen. Gleichzeitig sind Verwerter mit einer Verlangsamung des Wachstums im Autobatteriemarkt konfrontiert, mit einem Mangel an verfügbarem Material zum Recyceln und zeitweisen Überkapazitäten. Hinzu kommt die globale Konkurrenz, vor allem aus Asien. All diese Faktoren in Verbindung mit einer Förderlandschaft, die Investoren aktuell eher in die USA zieht (Stichwort „Inflation Reduction Act“) als nach Europa, werfen die Frage auf, wie der Kontinent langfristig mit der Nachfrage nach recyceltem Batteriematerial Schritt halten und die Versorgungssicherheit gewährleisten kann.
Einen umfassenden Überblick über die Marktlage gab Mina Ha, Leiterin der Batterie-Recycling-Forschung beim Londoner Beratungs- und Marktforschungsdienstleister Rho Motion: Sie hob hervor, dass China im globalen Recyclingmarkt dominiere. Insbesondere verfüge das Land über den weltweit größten Anteil von 75 Prozent der Schwarzmasse – jenem Zwischenprodukt, das in der mechanischen Recyclingstufe bzw. Vorbehandlung von Altbatterien entsteht. Auch bei der nachgelagerten Recyclingstufe, der Raffinerie, bei der die Metallrückgewinnung der wertvollen Metalle aus der Schwarzmasse erfolgt, habe China als eines von wenigen Ländern eine Infrastruktur aufgebaut, um riesige Mengen zu verarbeiten.
Im Bereich der Schwarzmasse-Produktion würden die westlichen Märkte zwar aufholen, sich jedoch im Vergleich zu Chinalangsamer entwickeln. Es sei laut Mina Ha vor allem eine Handvoll Recycler, die in beträchtlichem Umfang in Vorbehandlungskapazitäten in Europa investieren. Die Spitzengruppe werde im Jahr 2030 etwa ein Drittel des regionalen Marktanteils ausmachen.
Demgegenüber seien die Raffinerie kapazitäten auf dem europäischen Markt „derzeit sehr knapp“. In dem Kontext verwies die britische Forscherin auch auf kürzlich bekannt gewordene Verzögerungen hin. Wie berichtet, hatten in den letzten Monaten unter anderem
Umicore, BASF und Eramet angekündigt, dass sie ihre Investitionen in großangelegte europäische Raffinerieprojekte aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheiten verschieben werden.
Daher erwartet Mina Ha, dass ein erheblicher Teil der in Europa produzierten Schwarzmasse auch in naher bis mittelfristiger Zukunft zur weiteren Aufbereitung nach Asien exportiert wird. „Wie wir wissen, haben China und Südkorea im Moment eine sehr starke Entwicklung der Raffineriekapazität“, erklärte sie. „Es fehlt ihnen aber an Inputmaterial, um einen bestimmten Auslastungsgrad der Anlagen aufrechtzuerhalten.“ Das heißt, der asiatische Markt sucht aktiv nach Schwarzmasse und Batterieabfällen, um die Überkapazität im Binnenmarktauszugleichen.
Um dies anzugehen, plane China Änderungen bei der Klassifizierung von Schwarzmasse. Während diese bisher als „gefährlicher Abfall“ eingestuft wurde, was die Ein- und Ausfuhrerschwerte, gab es zuletzt Diskussionen über eine Lockerung dieser Beschränkungen. Im August habe die Regierung einen Entwurf veröffentlicht, der eine Neubewertung als „recycelbaren Abfall“ vorsieht, um den Importprozess zu vereinfachen. Ähnliche Ansätze würden auch in Südkorea verfolgt.
Die Frage nach der Verfügbarkeit von Altbatterien und Produktionsabfällen war ein wiederkehrendes Thema beim Basler Kongress. Einigkeit unter den Teilnehmern gab es bei der Erwartung eines „Turning Points“: Ca. ab 2030 wird mit den ersten großen Wellen an E-Fahrzeug-Batterien gerechnet, die ihr Lebensende erreichen. Die exponentielle Zunahme der Mengen werde das Recyclinggeschäft dann profitabler machen als bisher.
Dies ist auch vor dem Hintergrund der stark variierenden Preise für Primärrohstoff e wie Lithium, Kobalt oder Nickel zu sehen. Da die Materialien etwa 70 Prozent der Batterie-Produktionskosten ausmachen, üben diese Schwankungen schon jetzt einen starken wirtschaftlichen Druck auf die Hersteller von Batterien aus, erklärte Christophe Pillot, Direktor des französischen Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Avicenne Energy. Die Preisvolatilität im Bereich der Metalle sieht er als eine der Haupttriebkräfte für das künftige Wachstum des Recycling-Marktes.
Für 2030 rechnet Pillot mit 1,5 Mio Tonnen Altbatteriematerial weltweit, das für Verwerter bereitstehen wird – im Vergleich zu0,25 Mio Tonnen im Jahr 2023. Bis zum Ende des Jahrzehnts könnte seiner Schätzung nach 15 Prozent des Metallbedarfs bei der Zellneufertigung durch Recycling gedeckt werden. Auf lange Sicht sei eine Steigerung dieses Anteils auf über 90 Prozentmöglich.
Laurance Donnelly, Chefgeologe bei dem auf Rohstoff prüfung und -analytik spezialisierten Unternehmen Alfred H. Knight, verwies in dem Zusammenhang auf die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen. Seiner Ansicht nach werde in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht genügend geologisches Material vorhanden sein, um die erwartete Nachfrage zu decken. Hinzu komme, dass die Erschließung neuer Rohstoff quellen eine langwierige, teure und riskante Angelegenheit sei.
Das untermauerte der Spezialist mit eindrucksvollen Zahlen: Von den vielen Explorationsprojekten seien weniger als ein Prozent erfolgreich und würden von der Schürfstelle zur Mine. Die Exploration selbst könne bis zu 100 Mio Dollar kosten und bis zu zehn Jahre dauern. Weitere 15 Jahre vergehen möglicherweise, bis die Produktion beginnt. Dann sei aber noch längst kein Erfolg garantiert: Von zehn Bergbauunternehmen machten acht Verluste, eines arbeite kostendeckend und nur eines erwirtschafte Gewinn – in dem Fall könne die Rendite das Zehnfache der Investition betragen. Aber demgegenüber steht das beschriebene Risiko. Die Kreislaufführung von Batteriematerialien ist Donnelly zufolge daher eine ökonomisch notwendige Ergänzung zum Abbau metallhaltiger Erze.
Aktuell nehme jedoch der Wettbewerb um zu wenige Batterieabfälle zu, da immer mehr Akteure in die mechanische Vorbehandlung zur Schwarzmasse-Produktion eintreten. Das stellte Simon Hilgendorf, Entwicklungsleiter beim Krefelder Batterierecycler Accurec, übereinstimmend mit Mina Ha fest. Die Überkapazität in dem Bereich mache den Markt für Recyclerschwierig. Vereinfacht gesagt, würden die bereits installierten bzw. in Kürze in Betrieb gehenden Vorbehandlungskapazitäten aktuell mehr oder weniger den Batteriemengen entsprechen, die erst nach 2030 fürs Recycling zur Verfügung stehen werden, ordnete Hilgendorf ein.
In den letzten Monaten haben außerdem Meldungen über die einbrechende Nachfrage nach E-Fahrzeugen die Stimmung auch bei den Recyclern getrübt. Aus Sicht des Chemiekonzerns BASF betonte Daniel Waldmann, Marketingleiter für Batterierecycling, dass dies ein erhebliches Problem darstelle. Die Akkus seien zudem langlebiger als ursprünglich erwartet, was gut für die Umwelt sei. „Aber natürlich geht es um das Timing, darum, die Volumina für das Recycling zu bekommen“, erklärte Waldmann. Als besonders kritisch sieht er in dem Zusammenhang das Pausieren oder Stoppen von Investitionen in die Zellproduktion in Europa, denn momentan seien Produktionsabfälle die Hauptquelle fürs Recycling. Die veränderte Dynamik habe BASF im Juli dazu bewogen, die geplante hydrometallurgische Raffinerie in Tarragona, Spanien, vorerst auf Eis zu legen. Waldmannzeigte sich dennoch überzeugt davon, dass das Recycling Zukunft hat und unabdinglich „für resiliente Lieferketten“ ist.
Als Batteriematerial-Hersteller hat BASF den gesamten Wertschöpfungskreislauf im Blick: etwa in Schwarzheide, wo neben einer Produktionsanlage für Kathodenmaterialien auch eine Recyclinganlage zur Gewinnung von Schwarzmasse entsteht und im April eine Prototyp-Metallraffinerie eröffnet
wurde, um die eigenen Zwischenprodukte weiterzuverarbeiten. Das Brandenburger Projekt bezeichnete Waldmann als „Meilenstein zur Vorbereitung auf den nächsten Schritt“. Man wolle sich ganz auf das Optimieren der Technologie konzentrieren und sicherstellen, dass die Prozesse wirtschaftlich skalierbar sind. „Wir sammeln diese Erfahrungen jetzt, um später für die großangelegte Investition in eine kommerzielle hydrometallurgische Anlage bereit zu sein“.
Auch der belgische Metallurgiekonzern Umicore hatte zuletzt eine abwartende Position eingenommen und Investitionen in Groß-Anlagen für Batterierecycling und zur Kathodenmaterial-Produktion verschoben. Neben dem verlangsamten Hochfahrender Elektromobilität führte Charles Stuyck, Leiter des Umicore-Geschäftsbereichs „Battery Recycling Solutions“, beim Kongress in Basel vor allem die ungeklärten regulatorischen Rahmenbedingungen und „bürokratische Hürden bei der Logistik“ als wichtige Faktoren an, die sich momentan enorm auf das „Investitionsklima“ in der europäischen Batterie-Recyclingindustrieauswirken.
Im Gegensatz zu Asien, wo die Gesetzgebung – wie von Mina Ha ausgeführt – einen Abbau administrativer Hindernisse anstrebt, deuten sich in Europa strenger werdende Vorschriften an: Die Regeln für den Versand von Schwarzmasse und Batterieabfällen in Nicht-OECD-Länder könnten nach jüngsten Ankündigungen sogar deutlich restriktiver werden. Damit rechnen mehrere Kongressteilnehmer.
Aktuell wird Schwarzmasse in der EU unterschiedlich eingestuft – in einigen Ländern als Abfall, in anderen als Produkt, was den Transport bei grenzüberschreitenden Geschäften beeinflusst. Hier könnte es bald zu einer Vereinheitlichung kommen: „Es gibt klare Hinweise darauf, dass Schwarzmasse als gefährlicher Abfall klassifiziert wird“, sagte Waldmann. Dies hält er für einen„ ersten wichtigen Schritt, um das Material in Europa zu halten“. Nur so ließen sich Recyclingziele und Rezyklateinsatz-Quoten, die die EU-Batterieverordnung (Verordnung (EU) 2023/1542)
stufenweise festlegt, erreichen. „Die Bemühungen, illegale Exporte aus Europa zu begrenzen, sind gut. Aber die Kehrseite der Medaille ist, dass die heimischen Märkte dadurch sehr an Flexibilität verlieren und das wirkt sich auf die Materialverfügbarkeit aus“, gab Stuyck zu bedenken. Unklar sei unter anderem, ob es künftig in Bezug auf die Recyclingmaterialien Zertifikate geben wird, die frei zwischen China und Europagehandelt werden können, oder aber eine strenge Nachweiskette, „die jedes Atom oder jede Charge aus meiner Anlage nachverfolgt“, so Stuyck. Das habe einenenormen Einfluss darauf, wie die Unternehmen ihre Wertschöpfungskette aufbauen müssen. Gleiches gelte auch für die Frage, ob Schwarzmasse künftig in einem geschlossenen Kreislauf („closed loop“) recycelt und andren ursprünglichen Besitzer zurück verkauft werden muss, oder ob sie auf dem offenen Markt angeboten werden kann. „Wenn man es aus der Marktperspektive betrachtet, kommt die größte Unsicherheit durch die Vorschriften zustande“, resümierte Stuyck. Insbesondere bei Raffinerien, die für die Rentabilität von Anfang an auf größere Mengen ausgelegt werden müssen alsVorbehandlungsanlagen, sind die Investitionskosten sehr hoch – Marktteilnehmer sprechen von einem Rahmen zwischen 500Mio und einer Mrd €. Umicore als Spezialist für Pyro-Hydro-Verfahren stehe vor der Herausforderung, „das nötige Materialvolumen zu finden, um die Technologie in vollem Umfang zu nutzen“, so Stuyck. „Unsicherheit ist auf jeden Fall die ungünstigste Voraussetzung, wenn man umfangreiche Investitionen in das Batterierecyclingin Europa tätigen möchte“, pflichtete Waldmann von BASF bei. Die EU-Batterieverordnung sei ein guter Ausgangspunkt. Die noch ausstehenden delegierten Rechtsakte zur Recyclingeffizienz müssten jedoch dringend konkretisiert werden, unverlässliche Grundlagen für langfristige Entscheidungen zu schaffen.
Solange der rechtliche Rahmen mehr Fragen aufwirft, als Klarheiten schaff t, wird er eher als Hemmnis gesehen und nicht wie beabsichtigt als Stimulans für den Aufbau einer Recyclinginfrastruktur in Europa. Im Vergleich dazu wurde beim Basler Kongress mehrfach auf die USA als positives Beispiel geschaut: „In Nordamerika werden hohe Anreize geboten. Daher haben wir ein gewisses Risiko, dass Europa einfach nicht zu einem attraktiven Investitionsstandort für Batterierecycling wird“, so Waldmann.
Robert Kang, Gründer und CEO desRecyclingunternehmens Blue Whale Materials aus Washington, bestätigte das gute Wachstumsklima in den USA: Die Regierung habe mit Verabschiedung des Bipartisan Infrastructure Law (BIL) 2021 und des InflationReduction Act (IRA) 2022 insgesamt mehr als zehn Mrd Dollar zur Förderung der Kreislaufwirtschaft im Inlandbereitgestellt, erklärte er in seinem Vortrag. Das BIL sehe allein drei Mrd Dollar speziell für die Sammlung und das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien vor. Der IRA ergänze diese Bemühungen durch zusätzliche 355 Mio Dollar für die Förderung von Batterierecycling-Technologien. Auch zu den regulatorischen Ansätzen in den USA gab Kang einen Überblick: Eine einheitliche nationale Recyclingpolitik fehle hier. Stattdessen gebe es Richtlinien der Environmental Protection Agency (EPA) und größtenteils werde die Recyclingpolitik auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene gehandhabt, was meist zu minimalen Einschränkungen führe. Prinzipiell setze die USA darauf, „den Fortschritt den Märkten zu überlassen“. Laut Kang sind keine speziellen Genehmigungen für den Transport von gefährlichen Abfällen zwischen US-Staaten erforderlich. Schwarzmasse werde als Abfall klassifiziert – je nach Prozess jedoch nicht als gefährlicher. Einen weiteren Vorteil sieht Kang darin, dass Recycling-Anlagen in den USA weniger strenge Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen als in der EU, was den schnellen Ausbau der Kapazitäten erleichtere.
Internationale Partnerschaften für effiziente Kreisläufe notwendig. In Bezug auf die Weiterverarbeitung von erzeugter Schwarzmasse steht die USA allerdings vor einem ähnlichen Problem wie Europa: Die hydrometallurgische Raffination und die Infrastruktur dafür seien noch nicht vorhanden. Kang erwähnte zwar Fortschritte bei einigen Unternehmen, aber man sei hier dringend auf Partnerschaften angewiesen. Sein Unternehmen habe beispielsweise Batteriematerial nach Südkorea geschickt und dadurch einen geschlossenen Kreislauf mit einer hydrometallurgischen Raffinerie geschaffen – logistische Probleme aufgrund der grenzüberschreitenden Kooperation eingeschlossen. Eine globale Zusammenarbeit sei angesichts der aktuellen Infrastruktur-Landschaft unbedingt notwendig, umeineeffiziente Kreislaufwirtschaft für Batterien zu etablieren.
Insgesamt waren sich die Referenten beim Kongress in Basel einig über die Wichtigkeit strategischer Allianzen in dem hochkomplexen Wettbewerbsumfeld: Ob es um die Sicherstellung einer stabilen Rohstoffversorgung, die Entwicklung neuer Technologien oder die Überwindung regulatorischer Hürden geht – Partnerschaften würden es ermöglichen, Ressourcen und Risiken zu teilen und Synergien zu nutzen, was für einzelne Unternehmen allein kaum zu leisten wäre.
Source: EUWID Europäischer Wirtschaftsdienst GmbH, September 2024