Was sich beim WEEE-Recycling wie ändern sollte: Das diskutierte der 22. International Electronic Recycling Congress (IERC) vom 17. bis 19. Januar 2024 in Salzburg. Im Mittelpunkt des diesjährigen Branchenevents standen die „Erweiterte Herstellerverantwortung“ und das „Design for Recycling“ sowie das „Recht auf Reparatur“. Unternehmen aus den USA und Australien präsentierten Refurbishment-Modelle, die auch in Europa Schule machen könnten.
Die Veranstaltung der Schweizer ICM AG bot wieder ein buntes Informationsprogramm mit Vorträgen, Workshops und dem traditionellen Ausflug zur Anlagenbesichtigung von MGG Polymers nach Kematen an der Ybbs, Österreich. Für die Elektronik-Recyclingwirtschaft ist der IERC nicht nur eine wichtige Plattform, sich zu präsentieren und Geschäftskontakte untereinander zu pflegen, sondern auch ein Forum für den Meinungsaustausch und um politische Forderungen an die richtige Adresse zu kommunizieren. Dazu lud auch wieder das beliebte Networking Dinner am Abend des ersten Kongresstages ein.
Gegenwärtige und künftige Herausforderungen Nach einer Umfrage im Auftrag der EU-Kommission, die der Referent zitierte, hält rund die Hälfte der Teilnehmer die Vorgaben der WEEE-Direktive zur Verringerung des E-Schrott-Aufkommens für ineffizient. Rund die Hälfte meint, dass die Maßnahmen zur Reduktion der Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit ausreichend sind. Für 40 Prozent wird noch zu wenig getan, um illegale Exporte zu verhindern. Fortschritte beim WEEE-Recycling attestieren 54 Prozent, und 52 Prozent der Befragten sehen die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen zwischen den Mitgliedstaaten als nicht realisiert an. Den Erkenntnissen Brüssels zufolge werden gerade einmal zwei Prozent aller erfassten Elektro(nik)altgeräte einer Wiederverwendung zugeführt. Das WEEE-Recycling stagniert zwischen 80 und 85 Prozent. Die aktuellen Verwertungsziele basieren auf den Mengen, die bei den Anlagen ankommen. Für bestimmte WEEE-Materialien wie Kunststoffe, Glas oder kritische Industriemetalle sind die Recyclingkapazitäten unzureichend. Weiterhin sind die europäischen Normen zur Behandlung von Elektro(nik)altgeräten nicht in allen EU-Staaten umgesetzt worden. Spätestens am 31. Dezember 2026 wird die EU-Kommission die Notwendigkeit einer Überarbeitung der WEEE-Richtlinie beurteilen und gegebenenfalls einen Rechtsakt vorlegen, kündigte Pellegrini an. Ein entsprechender Vorschlag wird von einer sozioökonomischen und ökologischen Folgeabschätzung begleitet. Die Novellierung soll dann auch die Verwertung von PV-Modulen einbeziehen, die Informationspflichten im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung stärken, dabei gegen Trittbrettfahrer entschieden vorgehen und überhaupt mehr Rechtssicherheit in den Mitgliedstaaten bewirken. Bürgern und Verbrauchern sollen dabei keine unverhältnismäßigen Kosten gemäß dem Verursacherprinzip entstehen. Grundsätzlich gelte es, die Rücknahme von Elektro(nik)-altgeräten zu verbessern, schloss Mattia Pellegrini seine Ausführungen. Und das über finanzielle Anreize (Prämien oder Gutscheine), Mittel zur Berechnung des Rückkaufwerts von Geräten, die Nutzung von Postdiensten (Postämter als Sammelstellen) sowie über Partnerschaften mit Wiederverwendungsorganisationen (Zugang zur Sammlung). Die Verbraucher sollen darüber hinaus schon an den Verkaufspunkten über verfügbare Rücknahmemöglichkeiten informiert werden. Weitere Vorschläge zielen darauf, Rückstände beim Thema Digitalisierung aufzuholen und dabei Datenbanken zu WEEE-Sammel-, Wiederverwendungs- oder Reparaturstellen zu schaffen. Best Practices-Austausch ermöglicht zum Beispiel das TAIEX-Tool (Technical Assistance and Information Exchange Instrument) der EU-Kommission.
Wofür man die Recycler verantwortlich macht
Kurt Kyck, der auf dem Kongress mit dem IERC Honorary Award 2024 für seine Leistungen als Unternehmer ausgezeichnet wurde – die Laudatio hielt Jean Cox-Kearns (Vorsitzende IERC Steering Committee) –, kritisierte eingangs, dass man die Recycler für illegale WEEE-Verbringungen (samt gefährlichen Abfällen) außerhalb der Europäischen Union verantwortlich macht. „Die Hersteller übernehmen keine Verantwortung für das, was wir tun“, stellte Kyck fest. In Irland arbeite KMK Metals Recycling auf lokaler Ebene bereits gut mit Behörden, Kommunen und Sammelorganisationen für E-Schrott zusammen. Mit Geräteherstellern steht das Unternehmen jedoch nicht in Kontakt. „Es gibt da wenig Bereitschaft, was zu ändern“, hat Kyck erfahren. „Die Hersteller wollen ihre Geräte verkaufen und sich nicht darum kümmern müssen, was mit diesen nach der Nutzungsphase geschieht.“
Zu viele Gesetze und Richtlinien Pascal Leroy bezeichnete das europäische Gesetz zu kritischen Rohstoffen als „Game Changer“. Der Critical Raw Materials (CMR) Act trage entscheidend zur Rohstoffsicherung bei. Die EU müsse resilienter und unabhängiger von Rohstoffimporten werden. Hersteller und Recycler sollten dabei stärker kooperieren. Dafür müsse ein Bewusstsein geschaffen werden. Bei der WEEE-Sammlung gebe es noch einen erheblichen Verbesserungsbedarf, was auch Informationen zu Rückgabestellen angeht. Verbraucher wüssten oft nicht, wohin mit ihren Altgeräten zur Entsorgung. Damit Produkte recyclingfähig gestaltet werden können, seien detaillierte Angaben seitens der Hersteller zu den verbauten Komponenten erforderlich. Darin waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Das Problem hierbei: Die EU-Staaten legen unterschiedliche Kriterien und Maßstäbe an das Recycling. Für den Hersteller wird es dann schwierig, das Produktdesign zu ändern. Folglich müssten die Recyclingstandards harmonisiert werden. Wer kommt außerdem dafür auf, wenn es in einem Recyclingbetrieb brennt: der Gerätebatterie-Hersteller oder der Recycler? Auch das ist nicht geklärt, stellte die Gesprächsrunde fest. Rechtssicherheit und Überregulierungen werden als großes Problem in der Branche wahrgenommen. Es gebe zu viele Gesetze und Richtlinien, die sich zum Teil widersprechen und aufheben. Für mehr Recycling sei das nicht förderlich.
Fortschrittliche Entwicklungen Am zweiten Kongresstag diskutierte Emmanuel Katrakis (EuRIC, Belgien) mit Marco Garilli (Electrolux Italia), Timm Lux (BCG, Deutschland), Elizabeth O‘Reilly (WEEE Ireland) und Giuseppe Piardi (Stena Recycling, Italien) über Herausforderungen beim Ökodesign und inwieweit hier die Hersteller von Elektro(nik)geräten in die Pflicht genommen werden müssten. Thema der Tagung war dann auch das „Recht auf Reparatur“. Jérémy Fouriau (HP Inc., Belgien) erläuterte dazu die neuen EU-Richtlinien. Die von Federico Magalini (dss+) geleitete Session stellte zugleich Refurbishment-Modelle in Australien und den USA vor, die auch in Europa Schule machen könnten. So scheint die Entwicklung in diesen Ländern diesbezüglich fortschrittlicher zu sein, werden mehr Elektro(nik)altgeräte repariert und runderneuert und zum Beispiel Tonerpulver aus Druckerkartuschen als Asphalt-Additiv verwendet. Aus der Praxis berichteten hier Ward de Winter (Close the Loop, Australien) und Beatriz Pozo Arcos (iFixit, USA). Die Vorträge von Alvin Piadasa (TES, Singapur), Andreas Bohnhoff (Landbell, Deutschland), Corey Dehmey (Seri, USA) und Edoardo Bodo (RReuse, Belgien) behandelten die Optimierung und den Ausbau von Sammel- und Rücknahmesystemen für WEEE sowie Zertifizierungsstandards für Verwertungsbetriebe. Pasqual Zopp (Sens eRecyling, Schweiz) und Nikolaus Borowski (SMS Group, Deutschland) informierten abschließend über zirkulare Plattformen und den Einsatz von Digitaltechnologien in der Sammellogistik sowie Recyclinglösungen. Durch das Programm der letzten beiden Sessions führten Julie-Ann Adams (EERA, Niederlande) und Marc Affüpper (TSR Recycling, Deutschland). |
Source: EU-Recycling Magazin | March 2024